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Montag, 06.02., Erster Tag in Kiew

Die Bahnfahrt von Odessa nach Kiew erinnerte so ein Stück weit an die transsibirische Eisenbahn. Jeder Wagen hatte seinen eignen Schaffner, jedes Abteil 2 Betten und letztendlich wurde der Gang als Gemeinschaftsraum des Teams umfunktioniert. Besonders lecker war der servierte Tee der Schaffnerin, der mit dem kohlebefeuertem Kesselwasser einen besonderen Touch bekam.

Gegen 1.00 Uhr morgens übermannte und dann doch die Müdigkeit und wir dachten an Schlaf. Die Breite der Betten erinnerte ein Stück weit an die Liegen in den Trucks der Weihnachtskonvois und die Bewegung war auch vergleichbar mit der Fahrt über ukrainische Straßen. Um die beidseitig genutzte Bahnstrecke auch frei zu haben, hielt der Zug gegen 3 Uhr an und…. das war der richtige Zeitpunkt in den Tiefschlaf zu flüchten.
Gegen 10.30 Uhr kamen wir in dem Kindererholungsheim an, was für den Rest der Woche unser Domizil zur Versorgung der Kinder wird. Lange Zeit zum Frischmachen hatten wir nicht, denn die ersten Kinder waren schon da und wir wollten keine Zeit verlieren.
3 Räume haben wir für die Abwicklung hergerichtet. Im ersten Raum sitzt Michael Müller OT 78 und grinst ein Kind nach dem anderen an und freut sich mit den Kindern, die ihre Brille angepasst bekommen. Immerhin schaffte Michael es am ersten Tag insgesamt 78 der vorgefertigten Brillen an die Kids zu bringen.

Des Weiteren sitzt Jan Balczun, unser HNO- Doc von RT 81, im Raum sucht hier weiterhin in Kiew nach kleinen Schätzen in den Kinderohren. Leider ist es bis dato nur bei Ohrenschmalz geblieben ;-)

Die 2. Station ist von Andreas, Lars, Sandra, Robert, Susanne und Viktor besetzt. Hier bekommen die Kinder Ihre Oliven. Ohr ausspritzen, Oliven schleifen und die Schläuche einpassen, so dass dann im Raum 3 Claudia, Frida, Regina, Valentina und Steffen die finale Einstellung der Hörgeräte vornehmen können.
Gegen 19.00 Uhr und nach 110 wieder hörenden Kindern, haben wir uns etwas frisch gemacht und sind zum Abendessen in die Stadt gefahren. Uns erreichte beim Abendessen dann noch ein Anruf aus Kherson. Die Kinder durften am Sonntag die Stadt nicht per Bus verlassen, da sie von der Polizei gestoppt wurden. Eltern, welche dann dennoch die Fahrt auf andere Weise organisierten, haben den zurückgebliebenen dann die positiven Erlebnisse aus Odessa mitgeteilt. Alle waren so begeistert, dass die noch nicht versorgten Kinder dann am kommenden Donnerstag nach Kiew gebracht werden. Für uns war das eine weitere Bestätigung, dass wir mit der Aktion richtig unterwegs sind.

Die Eindrücke wurden in vielen intensiven Einzelgesprächen weiter vertieft und verarbeitet.
Alle Teilnehmer freuen sich auf den folgenden Tag.

Tommy


Erste Eindrücke der Teilnehmer:

Michael Müller, Friedrichshafen:
Es ist eine wahre Freude, hier den Kindern die gefertigten Brillen anzupassen!

Die Spannweite ist enorm:  von Beratungsgesprächen mit den Eltern;  vom süßen Zwerg, der eine Brille mit neuen Glaswerten bekommt bis zum Jugendlichen, der das erste Mal in seinem Leben die Welt deutlich sieht. Als interessantes Beispiel die Erst(!)-Versorgung des 15-Jährigen Gregor, dessen Hobby das geduldige Basteln mit sehr kleinen Teilen ist, denn er sah die Welt bisher nur von seiner Nasenspitze bis 10 cm davor deutlich und dann verschwand seine Umwelt in der Unschärfe! Er erhielt heute seine erste Brille mit -11 Dioptrien für beiden Augen. Seine überglückliche Reaktion über das neue unbekannte scharfe Sehen: er möchte sich bei unserem Team unbedingt mit einem selbstgebauten Modell bedanken!
Jab Balczun:

Jetzt oder nie!

Das ist der spontane Satz, der einem in den Kopf schießt, wenn man Kinder mit problematischen Ohren auf dem Behandlungsstuhl sieht. In der westlichen Welt ist es vollkommen normal, solche Kinder an einem anderen Tag einzubestellen. Aber hier in der Ukraine, nach mühsamer Anreise der Kinder oft schon halb in der Nacht zuvor, geht das eben nicht. Dafür setzen die erwartungsfrohen Kinderaugen vorher ungeahnte Energien frei, die dafür sorgen, dass selbst die schwierigsten Ohren „anpassbar“ werden. Und wenn nach erfolgter Anpassung die vorher ängstlichen Kinderaugen anfangen zu strahlen und damit nicht mehr aufhören können, dann geht man mit dem guten Gefühl ins Bett, diesen Kindern sehr geholfen zu haben!
Erich Feller:

„Nur“ zum Fotografieren, aber man freut sich mit oder leidet, wenn Jan zuerst in die Ohren schaut, hier bei den meisten Kindern ohne weiteres Reinigen. Aber manchmal tut es weh oder auch steigern sich Kinder mit schlechten Erfahrungen in eine Angst hinein und versuchen sich mit aller Kraft zu wehren.  Und dann einfach Fotografieren mit einem Knödel im Magen… Aber in einem Fall fuhr Dennis mit einem kleinen Patienten und seinem Vater in die Klinik, die mit viel Wasser ein abgebrochenes Endstück seines Hörgerätes heraus spülten.
Aber es gibt auch richtiges Aufleuchten der Kinderaugen, wenn die Hörgeräte angepasst wurden und die zuerst oder besser die neue Dimension „Geräusch“ erschließen.

Viktor Kyslyan:
I do believe we are making here a real positive step-change in these children´s destinies, and I find it truly amazing and inspiring!

Steffen Lindert:
Es war schon eine lange Zeit, die ich im Rahmen des NSP tätig war. Immerhin nach 1,5 Jahren Termine, Besuche an anderen Tischen, Administration, NSP hinten, NSP vorne. Jetzt habe ich den Lohn erhalten: Lächelnde Kinderaugen, wenn sie das erste Mal hören! An alle, die über ein NSP nachdenken: Macht es, denn es lohnt sich wirklich. Dank an all meine Freunde von RT174, dass ich heute hier sein darf.

Dennis Cherenkov:
Am Sonntag beim Abfliegen wusste ich noch nicht was auf mich ab Montag zukommt. Dass die simpelsten Sachen so beeindruckend sein können durfte ich bereits am ersten Tag erfahren:  wie die Kinderaugen voller Hoffnung auf einmal die unbegrenzte Freude ausstrahlen; wie ein Traum in Erfüllung gehen kann beim einfachen Aufsetzten eines so lange erwarteten Hörgeräts oder wie ein Knabe in liebevollen Händen bis dahin unbekannter Menschen zum glücklichsten Kind der Welt wird.  Das ist anscheinend ein winziger Teil davon, was uns im hektischen Berufsalltag der modernen Marktwirtschaft entgeht. .. Heute ist Dienstag und ich möchte schon jetzt gerne wieder in den Sonntag zurück damit ich die schönen Momente nochmals erleben kann.

Andreas Perscheid:
1000 Kinder Hören im 10. Jahr. 2003 war die erste Fahrt. Man sollte meinen, dass man langsam weiß, was man zu erwarten hat. Es ist immer und immer wieder ein unbeschreiblicher Moment wenn ein Kind das erste Mal hört, daran gewöhnt man sich zum Glück nie….. Ein erster Schritt ins Leben, zumindest ins Akustische.

Holm Hümmler:
Wie immer Stress pur, wie immer ist man am Ende des Tages völlig geschafft, und wie immer kann man es gar nicht erwarten, bis es morgen weitergeht. Immer wieder ein Wahnsinnserlebnis, auch wenn man viel weniger beitragen kann als die Fachleute.

Maksim Ljubaskin:
Eine weitere lustige Geschichte aus Kiew. Heute traf mich im Flur ein Kind und hat angefangen mit dem Finger auf der Wand etwas zu schreiben. Nachdem ich nach drei Versuchen nichts verstanden habe, gingen wir gemeinsam in einen Spielraum (hier großes Lob an die Studentinnen, die die ganze Zeit voller Energie und guter Laune die Hunderte von Kindern betreut haben). Im Kinderzimmer haben die Kinder gemalt und gebastelt, so dass ich meinem unbekannten Freund einen Stift und Stück Papier geben konnte, damit er diesen Satz aufschreibt. Und was denkt ihr stand da? „Kannst du mir eine Schokolade geben?“. Die Mütter und Kinder habe das Geschribene gelesen und haben gelacht. Zusammen mit dem Jungen machte wir uns auf den Weg in die Schatzkammer der Süßigkeiten. Auf dem Weg dahin machte er kehrt und zog auch mich zurück in das Spielzimmer. Er wollte wohl noch etwas schreiben, tat das und was soll ich Euch sagen? Da stand doch tatsächlich
ZWEI darauf haha. Jedes andere Kind hätte das gesagt und wir konnten auch etwas dazu beitragen, dass der Junge das in Zukunft machen kann.